AbleitungsregelnDiese Seite liefert das Handwerkszeug für die wesentlichen Teile der Kurvendiskussion: Man muss nicht alle Herleitungen dieser Regeln nachvollziehen oder gar wiedergeben können, aber ich rate dringend dazu, diese Regeln auswendig zu lernen! Der Aufwand lohnt sich, denn die einzige Alternative dazu ist, jedes Mal den Grenzwert des Differenzenquotienten ausführlich zu berechnen, und das ist mit Sicherheit viel mehr Arbeit. Hier Direktlinks zu den einzelnen Abschnitten der Seite, falls du nur eine bestimmte Regel nachschlagen möchtest: FaktorregelDiese Regel besagt, dass ein Faktor beim Ableiten - also bei der Berechnung der Tangentensteigungsfunktion - erhalten bleibt: Zu abstrakt? Mit Hilfe unseres Einführungsbeipiels wird es deutlicher: f1(x) = (x-1)² Wenn wir nun die Ableitung einer Funktion berechnen wollen, die sich nur durch einen Faktor von f1(x) unterscheidet, können wir das sehr einfach mit Hilfe obiger Faktorregel tun: f14(x) = 7·(x-1)² = 7 · f1(x) PotenzregelDiese Regel haben wir beim Einführungsbeispiel schon gesehen, ohne zu wissen, dass es die hier beschriebene Verallgemeinerung gibt. Nach dieser Regel leiten wir Funktionen ab, in denen x potenziert wird. In Worten: Die Ableitung einer Potenzfunktion berechnet man, indem man den Wert der Potenz als Faktor vor das x schreibt und die Potenz um Eins vermindert. f15(x) = x3 Nun zur Herleitung dieser Regel - und nicht erschrecken! Diese fürchterlich aussehenden Formeln vereinfachen sich wirklich ganz schnell zu dem simplen Ergebnis von oben:
KonstantenregelIm Einführungsbeispiel f1(x) hatten wir nicht x sondern (x-1) in der Basis der Potenz stehen, aber die Kettenregel weiter unten sagt uns, dass das in diesem Fall keine Rolle spielt, weil folgende Besonderheit zum Tragen kommt, an die du dich vielleicht noch aus dem Abschnitt über Symmetrie erinnerst: x0 := 1 und deshalb Das Zeichen := bedeutet, dass es sich um eine Definition, also eine Festlegung handelt. f16(x) = a = a · x0 Konstante Funktionen werden beim Ableiten also Null. KettenregelDie Kettenregel gilt für verkettete Funktionen. Das sind Funktionen, deren Argument nicht einfach x sondern wieder eine Funktion ist, wenn also f(x) = u(v(x)) u und v sind dabei einfach andere Namen für Funktionen, damit man sie unterscheiden kann; sie können ja schließlich nicht alle f heißen. f(x) = sin(x2) In diesem Beispiel wäre u(x)=sin(x) die sogenannte äußere und v(x)=x2 die innere Funktion. f1(x) = (x-1)2 Aus der Ableitung, die wir damals noch mühsam über den Differenzenquotienten gerechnet haben, kann man aber noch nicht auf die Kettenregel schließen, deswegen gibt es hier noch einmal eine allgemeine Betrachtung, bei der uns ein simpler Taschenspielertrick aus der Bruchrechnung - das Erweitern - schnell und einfach zum Ergebnis führt: Wir betrachten für alle beteiligten Funktionen f, u und v die Ableitungen als Differenzenquotienten: Ich habe diesmal im Nenner nicht einfach h geschrieben, sondern bin bei der ausführlichen Schreibweise mit den x-Koordinaten beider Punkte geblieben, damit ich die Differenz im Nenner bei der äußeren Funktion auch durch v(x+h)-v(x) darstellen kann. Dies ist einer der Knackpunkte für das Verständnis: Wenn wir die äußere Funktion allein als u(x) betrachten, können wir ihren Differenzenquotienten ja ganz normal bilden (s.o.). Da wir für x einen beliebigen Wert aus dem Definitionsbereich nehmen dürfen, können wir dieses x auch erst berechnen, indem wir eine Funktion v darauf anwenden; in der zweiten Zeile für u' ist deshalb x durch v(x) ersetzt. Dürfen wir das wirklich? Ja, aber nur wenn, sobald wir h gegen Null gehen lassen, auch v(x+h) gegen v(x) strebt, denn nur dann haben wir ja den Effekt, dass die Sekante von u zur Tangente wird. Bisher war noch nichts Neues dabei, oder? Wir haben nur die Definition der Ableitung für die drei Funktionen hingeschrieben und bei der äußeren Funktion u das Argument ein klein wenig anders ausgedrückt, mehr nicht.
Man multipliziert zwei Brüche, indem man Zähler mit Zähler und Nenner mit Nenner multipliziert. Außerdem darf man bei der Multiplikation die Reihenfolge der Faktoren vertauschen; das passiert hier in der zweiten Zeile im Nenner: Den Schritt von der zweiten zur dritten Zeile kann man einfach durch Vergleich mit den oben stehenden Ableitungen der einzelnen Funktionen nachvollziehen! Okay, man muss nicht selbst auf einen solchen Trick mit dem geschickten Erweitern kommen, aber wenn man es nachvollzieht, kann man doch glauben, dass es stimmt, oder? (Tut es auch!) SummenregelDiese Regel sagt uns, wie wir Funktionen ableiten müssen, die als Summe einzelner Funktionen definiert sind: Wir bilden zum Ableiten wieder den Grenzwert des Differenzenquotienten und beachten, dass eine Minusklammer entsteht: Die Minusklammer lösen wir auf und sortieren u zu u und v zu v, weil man bei der Addition die Operanden vertauschen darf und bei der Subtraktion auch, wenn man das Minuszeichen mitnimmt. Eine Summe dividiert man (hier durch h), indem man jeden einzelnen Summanden oder Gruppen von Summanden dividiert. Wir bilden zwei Gruppen ... ... und erhalten die Differenzenquotienten der beiden Teilfunktionen u und v, so dass ... Beispiel: f17(x) = 3x2+5x ProduktregelDie Produktregel brauchen wir zum Ableiten von Funktionen, die als Produkt zweier anderer Funktionen definiert ist: f(x) = u(x) · v(x) Auch diese Regel lässt sich mit einem ähnlichen Taschenspielertrick wie die Kettenregel über den Grenzwert des Differenzenquotienten auf die Ableitungen der Funktionen u und v zurückführen. Du findest ihn in nachstehender Zeile hinter dem Differenzenquotienten von f zweimal wieder, einmal subtrahiert, einmal addiert: Da alle Terme den selben Nenner haben, schreiben wir sie mal auf einen Bruchstrich und sortieren sie ein wenig um: Dann fällt auf, dass man bei den ersten beiden Summanden etwas ausklammern kann und bei den letzten beiden auch: Einmal v(x+h) und einmal u(x). Nun teilen wir den Bruchstrich wieder in der Mitte und schreiben die ausgeklammerten Ausdrücke davor bzw. dahinter, damit man besser sieht, dass ... ... es sich bei den verbleibenden Brüchen um die Differenzenquotienten der Funktionen u und v handelt! Noch eine Bemerkung: Wenn die Funktion aus mehreren Faktoren besteht, also f(x) = u(x) · v(x) · w(x) ...dann wendet man die Produktregel auf sich selber an: (u · v · w) ' = (u · (v·w))' Man kann die Produktregel also so verallgemeinern, dass die Ableitung aus so vielen Summanden besteht, wie die Funktion Faktoren hat. Jeder Summand besteht aus dem Produkt aller Faktoren, außer jeweils einem, der als Ableitung vorkommt. Beispiel für die einfache Variante mit zwei Faktoren: f18(x) = (x-1)2 · x3 Manch einer von euch mag jetzt einwenden: "Das Ausmultiplizieren hätten wir auch vor dem Ableiten machen können und hätten dann die einfachere Summenregel benutzt!" f18(x) = (x-1)2 · x3 Kommt also das selbe heraus! QuotientenregelWo man multiplizieren kann, funktioniert natürlich auch die Division (naja, jedenfalls meistens, wenn nicht gerade die Null im Spiel ist). Demzufolge gibt es eine ganz ähnliche Regel wie die Produktregel, die auch mit einem ähnlichen Trick hergeleitet wird, für Funktionen, die sich als Bruch zweier anderer Funktionen schreiben lassen: Natürlich kann es bei einer Funktion, in der ein Bruchstrich vorkommt, nicht schaden, wenn man sich ein wenig im Bruchrechnen auskennt! - Auch sonst ist Bruchrechnen ein sehr hilfreiches Werkzeug, das zu beherrschen sich lohnt! Als erstes machen wir die beiden oberen Brüche gleichnamig, damit wir sie auf einen Bruchstrich schreiben können. Der Hauptnenner ist das Produkt der beiden Nenner; die Zähler müssen also mit dem Nenner des jeweils anderen Bruchs multipliziert werden: Jetzt kommt wieder der gleiche Taschenspielertrick wie bei der Produktregel: Wir subtrahieren etwas und addieren es sofort wieder. Und zwar schreiben wir folgendes zum Zähler des oberen Bruchs dazu, ohne ihn dadurch zu verändern: Außerdem lösen wir den Doppelbruch auf, indem wir die beiden Zähler miteinander multiplizieren. Beide Schritte zusammengenommen liefern folgendes Zwischenergebnis: Da wir nachher wieder auf bekannte Differenzenquotienten kommen wollen, schreiben wir alles, was wir dafür im Nenner nicht gebrauchen könnnen in einen eigenen Bruch vor den Rest. Die ausgeklammerten Terme v(x+h) und u(x+h) schreiben wir wieder vor bzw. hinter den zugehörigen Bruchstrich und schon erkennen wir wieder unsere altbekannten Differenzenquotienten: Lassen wir nun h → 0 gehen, können wir erstens die Differenzenquotienten als Ableitungen der Teilfunktionen schreiben und zweitens kommt überall, wo dann noch x+h im Argument steht, ein x hin: Für die Optik schreiben wir nun wieder alles auf einen Bruchstrich. Dann sieht das Ganze so aus: Beispiel: UmkehrregelDiese Regel gilt für die Ableitung von Umkehrfunktionen. In der Einleitung war von denen ganz kurz die Rede, als es darum ging, in welcher Richtung die Zuordnung einer Funktion eindeutig ist. Betrachten wir der Reihe nach, wie wir aus obigem Bild zur Ableitung der Umkehrfunktion kommen: Nun kommt die Spiegelung an der Geraden y=x, die schwarz und strichpunktiert eingezeichnet ist:
tf : y = mf · x + b So einfach haben wir also die Ableitung der Umkehrfunktion berechnet! Aber: An welcher Stelle? Die eine Tangente tf berührt f an der Stelle x0; die andere Tangente tu berührt die Umkehrfunktion an der Stelle y0. Wie können also schrieben: f -1(y0)' = 1 / f '(x0) Das hilft uns noch nicht richtig weiter, weil wir ja wie gewohnt eine Funktion in x haben wollen. Betrachten wir also die Stelle x = y0, an der wir die Tangente tu an die Umkehrfunktion legen wollen, etwas genauer: Der Funktionswert der Umkehrfunktion u(x) an dieser Stelle ist genau die Stelle x0, an der wir mf berechnet haben. Deshalb können wir schreiben: Diese Umkehrregel beschreibt, wie man die Ableitung einer Funktion bilden kann, deren Umkehrfunktion man kennt. Sie ist hilfreich für einige der unten dargestellten Ableitungsregeln für besondere Funktionen. Ableitungen besonderer FunktionenMit Hilfe der obigen Regeln lassen sich schon ganz schön wilde Funktionen ableiten. Es gibt aber welche, denen man selbst mit Hilfe von Kombinationen dieser Regeln nicht beikommt. Diese sollen - ohne Anspruch auf Vollständigkeit - hier aufgezählt werden. Die WurzelfunktionDie Wurzel ist nichts anderes als eine gebrochene Potenz. Deshalb lässt sich die Potenzregel wie folgt darauf anwenden: Den Beweis dafür bin ich in der Herleitung der Potenzregel allerdings schuldig geblieben. Man kann ihn mit Hilfe der Umkehrregel führen. Die HyperbelfunktionWenn x im Nenner steht, ist das gleichbedeutend mit einem negativen Exponenten. Auch dafür lässt sich also die Potenzregel anwenden: Die ExponentialfunktionAls Exponentialfunktion bezeichnet man eine Funktion, bei der das Argument x im Exponenten einer Potenz vorkommt, also z.B.: f20(x): y = 2x In der allgemeinen Form kann man die Basis mit einer Variabeln b schreiben: f(x): y = bx Die Ableitung davon leiten wir uns wieder mit dem Grenzwert des Differenzenquotienten her. Um ans Ziel zu gelangen, brauchen wir außerdem die Trickkisten der Logarithmusfunktionen und der Potenzreihenentwicklungen. Dafür ist das Ergebnis, das am Ende herauskommt von geradezu wunderschöner Einfachheit und Eleganz:
Nun kommt ein kleiner Kunstgriff: Wir definieren eine Hifsgröße, die dem Zähler des Bruchs entspricht, und drücken auch h mit ihrer Hilfe aus:
Diese Ausdrücke setzen wir nun für Zähler und Nenner in unseren Grenzwert des Differenzenquotienten ein und ändern natürlich auch die Variable, die gegen Null gehen soll von h auf k:
Durch diese Rechnerei erhalten wir im Nenner des Bruchs einen Ausdruck, der die irrationale (also unendlich lange, nicht periodische) Eulersche Zahl e definiert:
Noch schöner und noch einfacher wird diese Formel, wenn wir uns eine besondere Exponentialfunktion ansehen, nämlich die zur Basis e: f21(x) = ex f21 '(x) = ln(e)·ex = ex Die Ableitung der e-Funktion ist also die e-Funktion selbst. Dieser Zusammenhang ist der Grund, warum sie sich oft als Lösungsansatz für Differenzialgleichungen anbietet. Die LogarithmusfunktionDie Ableitung der Logarithmusfunktion berechnen wir mit Hilfe der Umkehrregel und der Ableitung der Exponentialfunktion, denn der Logarithmus ist ja die Umkehrung der Exponentialfunktion: f(x) = bx f -1(x) = logb(x) f '(x) = ln(b)·bx (logb(x))' = 1 / ( ln(b)· x ) Auch hier lohnt es sich wieder, den Sonderfall des natürlichen Logarithmus zu betrachten, dann fällt nämlich der komische Faktor weg: (ln(x))' = 1 / ( ln(e)·x ) = 1 / x Die trigonometrischen FunktionenFür die Ableitung der Sinus- und Cosinusfunktionen braucht man den Grenzwert des Differenzenquotienten, einige Kniffe zur Berechnung bestimmter Grenzwerte und die Additionstheoreme. Letztere lauten: sin(a+b) = sin(a)·cos(b) + cos(a)·sin(b) cos(a+b) = cos(a)·cos(b) − sin(a)·sin(b) Beginnen wir also mit der Sinusfunktion: Wenn man das obige Additionstheorem darauf anwendet, sieht das Ganze so aus: Ausklammern von cos(x) und sin(x) ergibt: Die Summe kann auf mehrere Grenzwerte aufgeteilt werden. Die nicht von h abhängigen Faktoren cos(x) und sin(x) schreiben wir vor den Grenzwert für h. Um die beiden verbleibenden Grenzwerte zu berechnen, bedarf es einiger Tricks. Hier will ich nur die Ergebnisse angeben, die Herleitung steht auf einer eigenen Seite. Damit ergibt sich die Ableitung der Sinusfunktion zu: (sin(x))' = cos(x) Kommen wir nun zur Cosinusfunktion: Wir beginnen wie beim Sinus und den meisten anderen Funktionen mit dem Grenzwert des Differenzenquotienten. Das Ergebnis ist: (cos(x))' = − sin(x) Noch eleganter lassen sich die Ableitungen des Sinus' und Cosinus' mit Hilfe der Eulerschen Identität aus der Welt der komplexen Zahlen herleiten: eix = cos(x) + i sin(x) Nach Kettenregel gilt: (eix)' = i · eix Nach Summenregel gilt: (eix)' = cos'(x) + i sin'(x) Vergleich von Real- und Imaginärteilen ergibt: sin'(x) = cos(x) Die Ableitung der Tangensfunktion lässt sich einfach mit Hilfe der Quotientenregel herleiten, denn der Tangens ist der Quotient aus Sinus und Cosinus: Zusammenfassung zum Auswendiglernen
Dies war nun ein etwas längerer Exkurs, der sich gar nicht so sehr mit der Kurvendiskussion befasst hat sondern "nur" mit dem Handwerkszeug. Er ist aber wichtig! So wie kein Zimmermann ohne seinen Hammer auskommt, so braucht ein Mathematiker die Ableitungsregeln, denn jedesmal auf's Neue den Grenzwert des Differenzenqutoenten berechnen zu wollen, ist in der Tat vergleichbar damit, den Nagel mit dem Daumen ins Holz treiben zu wollen. |