GeoGebra im Regenbogen
 

 Kurvendiskussion

Ableitungsregeln

Diese Seite liefert das Handwerkszeug für die wesentlichen Teile der Kurvendiskussion:
Auf der vorigen Seite haben wir gesehen, dass man die Steigung der Tangente an eine Funktion mit Hilfe des Grenzwerts des Differenzenquotienten der Sekantensteigung berechnet. Das war umständlich! Hier werden wir nun für Gruppen von Funktionen Regeln finden, wie sich das Endergebnis dieser umständlichen Rechnung bildet. Wir können damit dann die Ableitung einer Funktion einfacher berechnen als über den Grenzwert des Differenzenquotienten.

Man muss nicht alle Herleitungen dieser Regeln nachvollziehen oder gar wiedergeben können, aber ich rate dringend dazu, diese Regeln auswendig zu lernen! Der Aufwand lohnt sich, denn die einzige Alternative dazu ist, jedes Mal den Grenzwert des Differenzenquotienten ausführlich zu berechnen, und das ist mit Sicherheit viel mehr Arbeit.
Am Ende der Seite gibt es die Zusammenfassung der Regeln zum Lernen.

Hier Direktlinks zu den einzelnen Abschnitten der Seite, falls du nur eine bestimmte Regel nachschlagen möchtest:

Faktorregel Potenzregel Konstantenregel Kettenregel
Summenregel Produktregel Quotientenregel Umkehrregel
Besondere Funktionen
Wurzelfunktion, Hyperbelfunktion, Exponentialfunktion, Logarithmusfunktion, Sinus, Cosinus, Tangens
Zusammenfassung

Faktorregelnächste

Diese Regel besagt, dass ein Faktor beim Ableiten - also bei der Berechnung der Tangentensteigungsfunktion - erhalten bleibt:

Faktorregel

Zu abstrakt? Mit Hilfe unseres Einführungsbeipiels wird es deutlicher:
Die Ableitung für f1(x) haben wir schon berechnet:

f1(x) = (x-1)²
f1'(x) = 2(x-1)

Wenn wir nun die Ableitung einer Funktion berechnen wollen, die sich nur durch einen Faktor von f1(x) unterscheidet, können wir das sehr einfach mit Hilfe obiger Faktorregel tun:

f14(x) = 7·(x-1)² = 7 · f1(x)
f14'(x) = 7·f1'(x) = 7·2(x-1)² = 14(x-1)²

Potenzregelnächste

Diese Regel haben wir beim Einführungsbeispiel schon gesehen, ohne zu wissen, dass es die hier beschriebene Verallgemeinerung gibt. Nach dieser Regel leiten wir Funktionen ab, in denen x potenziert wird.
Ich schreibe zuerst mal die - erfreulich einfache - Regel hin und erkläre dann Schritt für Schritt die Herleitung:

Potenzregel

In Worten: Die Ableitung einer Potenzfunktion berechnet man, indem man den Wert der Potenz als Faktor vor das x schreibt und die Potenz um Eins vermindert.
Beispiel:

f15(x) = x3
f15'(x) = 3·x2

Nun zur Herleitung dieser Regel - und nicht erschrecken! Diese fürchterlich aussehenden Formeln vereinfachen sich wirklich ganz schnell zu dem simplen Ergebnis von oben:

Herleitung Potenzregel Der Differenzenquotient, den wir schon kennen, angewendet auf die Potenzfunktion
Herleitung Potenzregel Ausmultiplizieren der Klammer (x+h)n nach dem binomischen Lehrsatz, wie er im Artikel über Binomialkoeffizienten - so heißt das komische Ding hinter dem Summenzeichen - beschrieben ist.
Herleitung Potenzregel Die ersten und letzten beiden Binomialkoeffizienten weiß man immer und kann sie deswegen weniger verwirrend schreiben: Der erste und der letzte sind immer Eins, der zweite und der vorletzte sind immer n. Wenn dir das noch unklar ist, sieh dir die Bilder des Pascalschen Dreiecks in o.g. Artikel an!
Die Klammer ist rechnerisch überflüssig; sie dient nur dazu den Minuenden zu kennzeichnen.
Herleitung Potenzregel Hier wurde die Klammer weggelassen und die ersten und letzten beiden Summanden xn miteinander zu Null verrechnet.
Außerdem wurde h ausgeklammert.
Herleitung Potenzregel Das ausgeklammerte h kann man gegen das h im Nenner kürzen und das Ganze sieht schon viel freundlicher aus. So freundlich, dass wir uns jetzt daran machen können, den Grenzwert zu berechnen:
Herleitung Potenzregel Bei allen Summanden außer dem ersten steht noch ein h als Faktor. Lassen wir h gegen Null gehen, verschwinden also alle diese Teile!

Konstantenregelnächste

Im Einführungsbeispiel f1(x) hatten wir nicht x sondern (x-1) in der Basis der Potenz stehen, aber die Kettenregel weiter unten sagt uns, dass das in diesem Fall keine Rolle spielt, weil folgende Besonderheit zum Tragen kommt, an die du dich vielleicht noch aus dem Abschnitt über Symmetrie erinnerst:

x0 := 1  und deshalb
a · x0 = a

Das Zeichen := bedeutet, dass es sich um eine Definition, also eine Festlegung handelt.
Mit ihrer Hilfe können wir die oben hergeleitete Potenzregel auf Konstanten anwenden:

f16(x) = a = a · x0
f16'(x) = 0 · a · x-1 = 0

Konstante Funktionen werden beim Ableiten also Null.
Das ist auch einleuchtend, wenn man sich das Aussehen einer konstanten Funktion und die Bedeutung der Ableitung vor Augen hält: Eine konstante Funktion hat überall den selben y-Wert; ihr Graph ist also eine horizontal verlaufende Gerade. Die Ableitung einer Funktion ist die Steigung ihrer Tangente; die Steigung einer horizontal verlaufenden Geraden ist aber überall Null.

Kettenregelnächste

Die Kettenregel gilt für verkettete Funktionen. Das sind Funktionen, deren Argument nicht einfach x sondern wieder eine Funktion ist, wenn also

f(x) = u(v(x))

u und v sind dabei einfach andere Namen für Funktionen, damit man sie unterscheiden kann; sie können ja schließlich nicht alle f heißen.
Beispiel:

f(x) = sin(x2)

In diesem Beispiel wäre u(x)=sin(x) die sogenannte äußere und v(x)=x2 die innere Funktion.
Auch unser Einführungsbeispiel ist bereits eine verkettete Funktion:

f1(x) = (x-1)2
u(x) = x2
v(x) = x-1

Aus der Ableitung, die wir damals noch mühsam über den Differenzenquotienten gerechnet haben, kann man aber noch nicht auf die Kettenregel schließen, deswegen gibt es hier noch einmal eine allgemeine Betrachtung, bei der uns ein simpler Taschenspielertrick aus der Bruchrechnung - das Erweitern - schnell und einfach zum Ergebnis führt:

Wir betrachten für alle beteiligten Funktionen f, u und v die Ableitungen als Differenzenquotienten:

Kettenregel, Ableitungen f, u und v

Ich habe diesmal im Nenner nicht einfach h geschrieben, sondern bin bei der ausführlichen Schreibweise mit den x-Koordinaten beider Punkte geblieben, damit ich die Differenz im Nenner bei der äußeren Funktion auch durch v(x+h)-v(x) darstellen kann. Dies ist einer der Knackpunkte für das Verständnis: Wenn wir die äußere Funktion allein als u(x) betrachten, können wir ihren Differenzenquotienten ja ganz normal bilden (s.o.). Da wir für x einen beliebigen Wert aus dem Definitionsbereich nehmen dürfen, können wir dieses x auch erst berechnen, indem wir eine Funktion v darauf anwenden; in der zweiten Zeile für u' ist deshalb x durch v(x) ersetzt.

Dürfen wir das wirklich? Ja, aber nur wenn, sobald wir h gegen Null gehen lassen, auch v(x+h) gegen v(x) strebt, denn nur dann haben wir ja den Effekt, dass die Sekante von u zur Tangente wird.
Hier kommt eine Bedingung ins Spiel, die ich bisher stillschweigend vorausgesetzt habe, weil sie fast immer gegeben ist: Die Stetigkeit. Ich erkläre sie ganz kurz auf der nächsten Seite.

Bisher war noch nichts Neues dabei, oder? Wir haben nur die Definition der Ableitung für die drei Funktionen hingeschrieben und bei der äußeren Funktion u das Argument ein klein wenig anders ausgedrückt, mehr nicht.
Jetzt kommt der Moment, wo der Frosch ins Wasser hüpft: Wir nehmen den Differenzenquoienten von f und erweitern ihn. Erweitern heißt nichts anderes, als mit Eins zu multiplizieren, was ja den Wert nicht verändert. Dabei schreibt man die Eins als Bruch, bei dem Zähler und Nenner gleich sind.

Wir nehmen zum Erweitern einfach mal den Bruch Erweiterung

Man multipliziert zwei Brüche, indem man Zähler mit Zähler und Nenner mit Nenner multipliziert. Außerdem darf man bei der Multiplikation die Reihenfolge der Faktoren vertauschen; das passiert hier in der zweiten Zeile im Nenner:

Kettenregel, Herleitung

Den Schritt von der zweiten zur dritten Zeile kann man einfach durch Vergleich mit den oben stehenden Ableitungen der einzelnen Funktionen nachvollziehen!

Okay, man muss nicht selbst auf einen solchen Trick mit dem geschickten Erweitern kommen, aber wenn man es nachvollzieht, kann man doch glauben, dass es stimmt, oder? (Tut es auch!)

Summenregelnächste

Diese Regel sagt uns, wie wir Funktionen ableiten müssen, die als Summe einzelner Funktionen definiert sind:

Summenfunktion

Wir bilden zum Ableiten wieder den Grenzwert des Differenzenquotienten und beachten, dass eine Minusklammer entsteht:

Summenregel, Herleitung

Die Minusklammer lösen wir auf und sortieren u zu u und v zu v, weil man bei der Addition die Operanden vertauschen darf und bei der Subtraktion auch, wenn man das Minuszeichen mitnimmt.

Summenregel, Herleitung

Eine Summe dividiert man (hier durch h), indem man jeden einzelnen Summanden oder Gruppen von Summanden dividiert. Wir bilden zwei Gruppen ...

Summenregel, Herleitung

... und erhalten die Differenzenquotienten der beiden Teilfunktionen u und v, so dass ...

Summenregel

Beispiel:

f17(x) = 3x2+5x
f17'(x) = 6x+5

Produktregelnächste

Die Produktregel brauchen wir zum Ableiten von Funktionen, die als Produkt zweier anderer Funktionen definiert ist:

f(x) = u(x) · v(x)

Auch diese Regel lässt sich mit einem ähnlichen Taschenspielertrick wie die Kettenregel über den Grenzwert des Differenzenquotienten auf die Ableitungen der Funktionen u und v zurückführen.
Der Trick heißt, dass sich ein Ausdruck nicht verändert, wenn man etwas abzieht und die selbe Größe wieder addiert: 5 - 3 + 3 = 5
Hört sich banal an, hilft uns hier aber ungemein weiter. Der Ausdruck, den wir vom Differenzenquotienten abziehen, nur um ihn gleich wieder dazu zu addieren lautet:

Hilfsterm

Du findest ihn in nachstehender Zeile hinter dem Differenzenquotienten von f zweimal wieder, einmal subtrahiert, einmal addiert:

Herleitung Produktregel

Da alle Terme den selben Nenner haben, schreiben wir sie mal auf einen Bruchstrich und sortieren sie ein wenig um:

Herleitung Produktregel

Dann fällt auf, dass man bei den ersten beiden Summanden etwas ausklammern kann und bei den letzten beiden auch: Einmal v(x+h) und einmal u(x).

Herleitung Produktregel

Nun teilen wir den Bruchstrich wieder in der Mitte und schreiben die ausgeklammerten Ausdrücke davor bzw. dahinter, damit man besser sieht, dass ...

Herleitung Produktregel

... es sich bei den verbleibenden Brüchen um die Differenzenquotienten der Funktionen u und v handelt!

Produktregel

Noch eine Bemerkung: Wenn die Funktion aus mehreren Faktoren besteht, also

f(x) = u(x) · v(x) · w(x)

...dann wendet man die Produktregel auf sich selber an:

(u · v · w) ' = (u · (v·w))'
= u'·(v·w) + u·(v·w)'
= u'·v·w + u·(v'·w + v·w')
= u'·v·w + u·v'·w + u·v·w'

Man kann die Produktregel also so verallgemeinern, dass die Ableitung aus so vielen Summanden besteht, wie die Funktion Faktoren hat. Jeder Summand besteht aus dem Produkt aller Faktoren, außer jeweils einem, der als Ableitung vorkommt.

Beispiel für die einfache Variante mit zwei Faktoren:

f18(x) = (x-1)2 · x3
f18'(x) = 2(x-1)·x3 + (x-1)2·3x2
f18'(x) = 5 x4 - 8 x3 + 3x2

Manch einer von euch mag jetzt einwenden: "Das Ausmultiplizieren hätten wir auch vor dem Ableiten machen können und hätten dann die einfachere Summenregel benutzt!"
Die Antwort lautet: Ja! Das hätten wir machen können. Manchmal ist es so herum einfacher und manchmal anders herum. Also: Erst denken, dann rechnen!
Probieren wir aber wenigstens aus, ob das selbe herausgekommen wäre:

f18(x) = (x-1)2 · x3
f18(x) = (x2 - 2x + 1) · x3
f18(x) = x5 - 2x4 + x3
f18'(x) = 5x4 - 8x3 + 3x2

Kommt also das selbe heraus!

Quotientenregelnächste

Wo man multiplizieren kann, funktioniert natürlich auch die Division (naja, jedenfalls meistens, wenn nicht gerade die Null im Spiel ist). Demzufolge gibt es eine ganz ähnliche Regel wie die Produktregel, die auch mit einem ähnlichen Trick hergeleitet wird, für Funktionen, die sich als Bruch zweier anderer Funktionen schreiben lassen:

Funktion als Quotient

Natürlich kann es bei einer Funktion, in der ein Bruchstrich vorkommt, nicht schaden, wenn man sich ein wenig im Bruchrechnen auskennt! - Auch sonst ist Bruchrechnen ein sehr hilfreiches Werkzeug, das zu beherrschen sich lohnt!
Wenn wir unseren Differenzenquotienten bilden, kommen sogar gleich mehrere Bruchstriche vor:

Quotientenregel, Herleitung

Als erstes machen wir die beiden oberen Brüche gleichnamig, damit wir sie auf einen Bruchstrich schreiben können. Der Hauptnenner ist das Produkt der beiden Nenner; die Zähler müssen also mit dem Nenner des jeweils anderen Bruchs multipliziert werden:

Quotientenregel, Herleitung

Jetzt kommt wieder der gleiche Taschenspielertrick wie bei der Produktregel: Wir subtrahieren etwas und addieren es sofort wieder. Und zwar schreiben wir folgendes zum Zähler des oberen Bruchs dazu, ohne ihn dadurch zu verändern:

Quotientenregel, Herleitung

Außerdem lösen wir den Doppelbruch auf, indem wir die beiden Zähler miteinander multiplizieren. Beide Schritte zusammengenommen liefern folgendes Zwischenergebnis:

Quotientenregel, Herleitung

Da wir nachher wieder auf bekannte Differenzenquotienten kommen wollen, schreiben wir alles, was wir dafür im Nenner nicht gebrauchen könnnen in einen eigenen Bruch vor den Rest.
Außerdem sortieren wir auf dem großen Bruchstrich wieder ein wenig um, und zwar so, dass wir vorne und hinten etwas ausklammern können und dabei eine bekannte Differenz übrig bleibt:

Quotientenregel, Herleitung

Die ausgeklammerten Terme v(x+h) und u(x+h) schreiben wir wieder vor bzw. hinter den zugehörigen Bruchstrich und schon erkennen wir wieder unsere altbekannten Differenzenquotienten:

Quotientenregel, Herleitung

Lassen wir nun h → 0 gehen, können wir erstens die Differenzenquotienten als Ableitungen der Teilfunktionen schreiben und zweitens kommt überall, wo dann noch x+h im Argument steht, ein x hin:

Quotientenregel, Herleitung

Für die Optik schreiben wir nun wieder alles auf einen Bruchstrich. Dann sieht das Ganze so aus:

Quotientenregel

Beispiel:

Quotientenregel, Beispiel

Umkehrregelnächste

Diese Regel gilt für die Ableitung von Umkehrfunktionen. In der Einleitung war von denen ganz kurz die Rede, als es darum ging, in welcher Richtung die Zuordnung einer Funktion eindeutig ist.
Eine Umkehrfunktion ist die Antwort auf die Frage: "Wie lautet das Argument der Funktion, wenn ich den Funktionswert kenne?" Sie ist nur dann bzw. nur auf solchen Bereichen definiert, auf denen die Zuordnung der Funktion in beide Richtungen eindeutig ist. Dies ist genau dann der Fall, wenn die Funktion streng monoton (steigend oder fallend) ist.
Beim Bilden der Umkehrfunktion f −1(x) werden Argument und Funktionswert - also x und y - in der Funktionsgleichung vertauscht. Geometrisch ist die Umkehrfunktion f −1(x) die Spiegelung der Funktion f(x) an der Winkelhalbierenden y=x. Allein aus dieser Überlegung kann man sich mit Hilfe nachstehender Grafik herleiten, wie sich die Ableitung der Umkehrfunktion berechnet:
Die Ableitung der Umkehrfunktion ist die Steigung der Tangente an die Umkehrfunktion. Diese Tangente entsteht aber zwangsläufig auch nur dadurch, dass man die Tangente an f an der Winkelhalbierenden spiegelt.

Betrachten wir der Reihe nach, wie wir aus obigem Bild zur Ableitung der Umkehrfunktion kommen:
Als Beispiel ist hier für f die Wurzelfunktion gezeichenet; sie ist um eins nach rechts verschoben. Alles was mit dieser Ausgangsfunktion zusammnenhängt, ist rot eingezeichnet.
An diese Funktion f legen wir im Punkt P(x0 | y0) eine Tangente an. Die x-Koordinate x0 dieses Punktes können wir zu Anschauungszwecken mit dem Schieberegler einstellen; die y-Koordinate y0 berechnet sich mit Hilfe der Funktionsgleichung: y0 = f(x0).
Die Steigung dieser Tangente ist der Wert der Ableitung von f an der Stelle x0; zur Verdeutlichung ist das Steigungsdreieck eingezeichnet.

Nun kommt die Spiegelung an der Geraden y=x, die schwarz und strichpunktiert eingezeichnet ist:
Die Umkehrfunktion und alles was mit ihr zusammenhängt, ist blau dargestellt. Sie ist hier mit u(x) bezeichnet.
Wenn wir den Punkt P(x0 | y0) spiegeln, erhalten wir den Punkt P'(y0 | x0), der auf der Umkehrfunktion liegt. In diesem Punkt wollen wir die Tangente an die Umkehrfunktion anlegen. Wichtig dabei: P' hat andere Koordinaten als P! x und y sind nämlich vertauscht. x0 und y0 sind einfach nur irgendwelche Zahlen; also nicht dadurch verwirren lassen, dass auch mal ein x0 auf der y-Achse auftaucht und umgekehrt.
Wir kommen darauf später noch einmal zurück.
Wie groß ist nun die Steigung mU der Tangente tu an die Umkehrfunktion? Um das herauszubekommen, überlegen wir uns, dass tu die Umkehrfunktion der Tangente tf an f ist. Wir müssen also in der Geradengleichung für tf nur x und y vertauschen, nach y auflösen und erhalten die Steigung mu als Faktor beim x in der Tangentengleichung tu:

tf : y = mf · x + b
tu : x = mf · y + b
tu : y = 1/mf · x − b/mf
tu : y = mu · x − b/mf
mu = 1 / mf

So einfach haben wir also die Ableitung der Umkehrfunktion berechnet! Aber: An welcher Stelle? Die eine Tangente tf berührt f an der Stelle x0; die andere Tangente tu berührt die Umkehrfunktion an der Stelle y0. Wie können also schrieben:

-1(y0)' = 1 / f '(x0)

Das hilft uns noch nicht richtig weiter, weil wir ja wie gewohnt eine Funktion in x haben wollen. Betrachten wir also die Stelle x = y0, an der wir die Tangente tu an die Umkehrfunktion legen wollen, etwas genauer: Der Funktionswert der Umkehrfunktion u(x) an dieser Stelle ist genau die Stelle x0, an der wir mf berechnet haben. Deshalb können wir schreiben:

Umkehrregel

Diese Umkehrregel beschreibt, wie man die Ableitung einer Funktion bilden kann, deren Umkehrfunktion man kennt. Sie ist hilfreich für einige der unten dargestellten Ableitungsregeln für besondere Funktionen.

Ableitungen besonderer Funktionen

Mit Hilfe der obigen Regeln lassen sich schon ganz schön wilde Funktionen ableiten. Es gibt aber welche, denen man selbst mit Hilfe von Kombinationen dieser Regeln nicht beikommt. Diese sollen - ohne Anspruch auf Vollständigkeit - hier aufgezählt werden.
Die Herleitungen sind zum Teil schon recht trickreich und du musst nicht resignieren, wenn du dir selbst eingestehen musst, selbst niemals darauf gekommen zu sein; nichtsdestoweniger sind die Rechenwege gerade wegen der originellen Gedanken interessant und die Regeln selbst sollte man schon durchaus auf der Pfanne haben, um eine Kurvendiskussion zügig bearbeieten zu können.
Aber zuerst zwei Funktionen, die so aussehen, als seien sie etwas besonderes, die sich aber trotzdem mit den bekannten Regeln ableiten lassen:

Die Wurzelfunktionnächste

Die Wurzel ist nichts anderes als eine gebrochene Potenz. Deshalb lässt sich die Potenzregel wie folgt darauf anwenden:

Ableitung der Wurzelfunktion

Den Beweis dafür bin ich in der Herleitung der Potenzregel allerdings schuldig geblieben. Man kann ihn mit Hilfe der Umkehrregel führen.

Die Hyperbelfunktionnächste

Wenn x im Nenner steht, ist das gleichbedeutend mit einem negativen Exponenten. Auch dafür lässt sich also die Potenzregel anwenden:

Ableitung der Hyperbelfunktion

Die Exponentialfunktionnächste

Als Exponentialfunktion bezeichnet man eine Funktion, bei der das Argument x im Exponenten einer Potenz vorkommt, also z.B.:

f20(x):  y = 2x

In der allgemeinen Form kann man die Basis mit einer Variabeln b schreiben:

f(x):  y = bx

Die Ableitung davon leiten wir uns wieder mit dem Grenzwert des Differenzenquotienten her. Um ans Ziel zu gelangen, brauchen wir außerdem die Trickkisten der Logarithmusfunktionen und der Potenzreihenentwicklungen. Dafür ist das Ergebnis, das am Ende herauskommt von geradezu wunderschöner Einfachheit und Eleganz:
Als erstes also der Grenzwert des Differenzenquotienten:

Grenzwert des Differenzenquotienten der Exponentialfunktion

Hier sehen wir als erstes die allgemeine Exponentialfunktion.

In der zweiten Zeile steht der Grenzwert des Differenzenquotienten und

in der dritten Zeile habe ich eine Rechenregel für Potenzen angewendet, dass nämlich eine Summe im Exponenten als Produkt zweier Potenzen gleicher Basis mit je einem Summanden als Exponent geschrieben werden kann:

ab+c = ab·ac

Einen der beiden Faktoren, nämlich bx habe ich außerdem gleich ausgeklammert.

Nun kommt ein kleiner Kunstgriff: Wir definieren eine Hifsgröße, die dem Zähler des Bruchs entspricht, und drücken auch h mit ihrer Hilfe aus:

Da beim Verwenden der Hilfgröße kein h mehr in unserem Term steht, müssen wir uns noch überlegen, wogegen wir k streben lassen, damit es einem h → 0 entspricht. Die zweite Zeile zeigt uns, dass wir auch k → 0 betrachten müssen.

Hilsgröße k=b^h-1

Diese Ausdrücke setzen wir nun für Zähler und Nenner in unseren Grenzwert des Differenzenquotienten ein und ändern natürlich auch die Variable, die gegen Null gehen soll von h auf k:

Grenzwert des Differenzenquotienten der Exponentialfunktion mit Substitution

Nun betreiben wir erst ein wenig Bruchrechnung: Man darf bei Brüchen Zähler und Nenner mit dem selben Wert multiplizieren (erweitern) oder durch den selben Wert dividieren (kürzen). Hier dividieren wir durch k.

Im zweiten Schritt wenden wir eine Rechenregel für Logarithmen an: Ein Faktor vor dem Logarithmus entspricht einer Potenzierung des Logarithmen-Arguments mit diesem Faktor als Exponent:

a · log(x) = log(xa)

Hier lautet der Faktor, den wir zum Exponenten machen 1/k.

Exponentialregel Herleitung

Durch diese Rechnerei erhalten wir im Nenner des Bruchs einen Ausdruck, der die irrationale (also unendlich lange, nicht periodische) Eulersche Zahl e definiert:

Definition der Eulerschen Zahl

Mit deren Hilfe schreiben wir die Ableitung der Exponentialfunktion ganz einfach so:

Herleitung der Exponentialregel

Darauf lässt sich wieder eine Rechenregel für Logarithmen anwenden, mit deren Hilfe man Logarithmen zu einer beliebigen Basis in Logarithmen zu einer anderen Basis umrechnen kann. Weil es dann nachher so schön 'rauskommt (weil ln(e)=1), rechnen wir den allgemeinen Logarithmus zur Basis b in den natürlichen Logarithmus um, der sich auf die Basis der Eulerschen Zahl bezieht:

Basisumrechnung bei Logarithmen
Exponentialregel

Wenn wir das in unsere Formel für die Ableitung der Exponentialregel einsetzen, erhalten wir nebenstehende wunderschöne Exponentialregel.


Noch schöner und noch einfacher wird diese Formel, wenn wir uns eine besondere Exponentialfunktion ansehen, nämlich die zur Basis e:

f21(x) = ex

f21 '(x) = ln(e)·ex = ex

Die Ableitung der e-Funktion ist also die e-Funktion selbst. Dieser Zusammenhang ist der Grund, warum sie sich oft als Lösungsansatz für Differenzialgleichungen anbietet.

Die Logarithmusfunktionnächste

Die Ableitung der Logarithmusfunktion berechnen wir mit Hilfe der Umkehrregel und der Ableitung der Exponentialfunktion, denn der Logarithmus ist ja die Umkehrung der Exponentialfunktion:

  f(x) = bx      f -1(x) = logb(x)
Umkehrregel

f '(x) = ln(b)·bx
f '(f -1(x)) = ln(b)·blogb(x) = ln(b)·x

(logb(x))' = 1 / ( ln(b)· x )

Auch hier lohnt es sich wieder, den Sonderfall des natürlichen Logarithmus zu betrachten, dann fällt nämlich der komische Faktor weg:

(ln(x))' = 1 / ( ln(e)·x ) = 1 / x

Die trigonometrischen Funktionennächste

Für die Ableitung der Sinus- und Cosinusfunktionen braucht man den Grenzwert des Differenzenquotienten, einige Kniffe zur Berechnung bestimmter Grenzwerte und die Additionstheoreme. Letztere lauten:

sin(a+b) = sin(a)·cos(b) + cos(a)·sin(b)

cos(a+b) = cos(a)·cos(b) − sin(a)·sin(b)

Beginnen wir also mit der Sinusfunktion:
Der Grenzwert des Differenzenquotienten lautet:

Differenzenquotient der Sinusfunktion

Wenn man das obige Additionstheorem darauf anwendet, sieht das Ganze so aus:

Differenzenquotient der Sinusfunktion mit Additionstheorem

Ausklammern von cos(x) und sin(x) ergibt:

Differenzenquotient der Sinusfunktion

Die Summe kann auf mehrere Grenzwerte aufgeteilt werden. Die nicht von h abhängigen Faktoren cos(x) und sin(x) schreiben wir vor den Grenzwert für h.

Differenzenquotient der Sinusfunktion

Um die beiden verbleibenden Grenzwerte zu berechnen, bedarf es einiger Tricks. Hier will ich nur die Ergebnisse angeben, die Herleitung steht auf einer eigenen Seite.

Grenzwerte

Damit ergibt sich die Ableitung der Sinusfunktion zu:

(sin(x))' = cos(x)

Kommen wir nun zur Cosinusfunktion:

Wir beginnen wie beim Sinus und den meisten anderen Funktionen mit dem Grenzwert des Differenzenquotienten.
Oben stehendes Additionstheorem darauf angewandt ergibt einen Ausdruck, der wieder die selben Grenzwertterme enthält, die wir auch schon beim Sinus verwendet haben:

Ableitung des Cosinus'

Das Ergebnis ist:

(cos(x))' = − sin(x)

Noch eleganter lassen sich die Ableitungen des Sinus' und Cosinus' mit Hilfe der Eulerschen Identität aus der Welt der komplexen Zahlen herleiten:

eix = cos(x) + i sin(x)

Nach Kettenregel gilt:

(eix)' = i · eix
(eix)' = (cos(x) + i sin(x))' = i · (cos(x) + i sin(x))
(eix)' = −sin(x) + i cos(x)

Nach Summenregel gilt:

(eix)' = cos'(x) + i sin'(x)

Vergleich von Real- und Imaginärteilen ergibt:

sin'(x) = cos(x)
cos'(x) = −sin(x)

Die Ableitung der Tangensfunktion lässt sich einfach mit Hilfe der Quotientenregel herleiten, denn der Tangens ist der Quotient aus Sinus und Cosinus:

Ableitung der Tangensfunktion

Zusammenfassung zum Auswendiglernen

Regel Formel Beispiel

Konstantenregel


Konstante Summanden fallen beim Ableiten weg.
f(x) = a
f '(x) = 0
f(x) = 3
f '(x) = 0

Faktorregel


Konstante Faktoren bleiben beim Ableiten erhalten.
f(x) = a · x
f '(x) = a
f(x) = 3x
f '(x) = 3

Potenzregel


Bei der Ableitung verringert sich der Exponent um eins und der ursprüngliche Exponent kommt als Faktor vor das x.
f(x) = xn
f '(x) = n · x(n−1)
f(x) = x3
f '(x) = 3 x2

Summenregel


Die Ableitung einer Summe ist die Summe der Ableitungen der Summanden
f(x) = u(x) + v(x)
f '(x) = u'(x) + v'(x)
f(x) = x3 + x2
f '(x) = 3 x2 + 2 x

Produktregel


Die Ableitung eines Produkts ist die Summe der Produkte, bei denen jeweils einer der Faktoren abgeleitet ist und die anderen nicht.
f(x) = u(x) · v(x) · w(x)
f '(x) = u'(x)·v(x)·w(x) +
           u(x)·v'(x)·w(x) +
           u(x)·v(x)·w'(x)
f(x) = x3 · ln(x)
f '(x) = 3x2·ln(x) + x3·(1/x)
        = ln(x6x) + x2

Quotientenregel


Die Ableitung eines Bruchs ist wieder ein Bruch: Im Zähler steht folgende Differenz: Ableitung des Zählers mal Nenner minus Zähler mal Ableitung des Nenners.
Im Nenner der Ableitung steht das Quadrat des Nenners.
Quotientenregel Beispiel für Quotientenregel

Umkehrregel


Die Ableitung der Umkehrfunktion ist der Kehrwert der Ableitung an der Stelle des Funktionswerts der Umkehrfunktion.
Umkehrregel f(x) = x2   f −1(x) = √x
f '(x) = 2·x
(√x)' = 1 / (2·x2)

Kettenregel


Die Ableitung einer verschachtelten Funktion ist das Produkt aus der Ableitung der inneren Funktion an der Stelle x und der Ableitung der äußeren Funktion an der Stelle der inneren Funktion.
f(x) = u(v(x))
f '(x) = v'(x) · u'(v(x))
f(x) = cos(x2)
f '(x) = −2x·sin(x2)

Exponentialfunktion


Die Ableitung der e-Funktion ist die e-Funktion selbst; Ableitungen anderer Exponentialfunktionen sind die Funktion selbst multipliziert mit dem natürlichen Logarithmus ihrer Basis.
f(x) = ex ;  f '(x) = ex
f(x) = bx ;  f '(x) = ln(b)·bx

Logarithmusfunktion


Die Ableitung des natürlichen Logarithmus ist die Hyperbelfunktion 1 / x. Ableitungen anderer Logarithmen haben zusätzlich den natürlichen Logarithmus der Basis im Nenner.
f(x) = ln(x) ;  f '(x) = 1 / x
f(x) = logb(x) ;  f '(x) = 1 / (ln(b)·x)

Trigonometrische Funktionen


Die Ableitung des Sinus ist der Cosinus.
Die Ableitung des Cosinus ist der negative Sinus.
Die Ableitung des Tangens ist der Kehrwert des Quadrats des Cosinus.
f(x) = sin(x) ;  f '(x) = cos(x)
f(x) = cos(x) ;  f '(x) = −sin(x)
f(x) = tan(x) ;  f '(x) = 1 / cos2(x)

Dies war nun ein etwas längerer Exkurs, der sich gar nicht so sehr mit der Kurvendiskussion befasst hat sondern "nur" mit dem Handwerkszeug. Er ist aber wichtig! So wie kein Zimmermann ohne seinen Hammer auskommt, so braucht ein Mathematiker die Ableitungsregeln, denn jedesmal auf's Neue den Grenzwert des Differenzenqutoenten berechnen zu wollen, ist in der Tat vergleichbar damit, den Nagel mit dem Daumen ins Holz treiben zu wollen.
Also: Auswendig lernen!

Ableitung, Tangente Extrem- und Wendepunkte