Plancksches Gesetz
 

 IR-Strahlung von Gasen

Allgemeines

Das Strahlungsverhalten von Gasen ist vollständig anders als das von Festkörpern! Alles was wir im Kapitel Festkörperstrahlung über die Erkenntnisse so berühmter Naturwissenschaftler wie Planck, Wien, Boltzmann und Kirchhoff gelernt haben, müssen wir vergessen, sobald wir das Verhalten von Gasen betrachten.

Leider ist das Strahlungsverhalten von Gasen aber sehr wichtig, denn normalerweise ist der dominante Hot Spot im MIR eines Schiffes, Flugzeugs oder Landfahrzeugs die Abgaswolke.
Die immer noch am weitesten verbreiteten Infrarot Zielsuchköpfe, die nach dem Reticle-Prinzip arbeiten, machen sich genau diesen Sachverhalt zu Nutze, um ihr Ziel zu finden und zu treffen.

Ganz fremd ist uns das Strahlungsverhalten von Gasen aber nun auch wieder nicht, denn ein wichtiger Sachverhalt, den wir bei den Festkörpern kennengelernt haben, gilt auch bei Gasen: Der Absorptionsgrad ist identisch mit dem Emissionsgrad!
Die Absorption von Gasen - nämlich in dem Fall von Luft - wurde im Kapitel Transmission aber schon so ganz nebenbei eingeführt:

Gase emittieren und absorbieren Strahlung bei ganz bestimmten Wellenlängen, die für die Zusammensetzung des Gases charakteristisch sind. Man nennt Gase deshalb auch "Selektive Strahler". (Es gibt auch andere (feste) selektive Strahler, wenn zum Beispiel der Emissionsgrad wellenlängenabhängig ist.)
In der Spektroskopie macht man sich diesen Sachverhalt übrigens zu Nutze, um anhand des Absorptionsverhaltens die Zusammensetzung eines Gases zu bestimmen.

Jedes Element, das in dem Gas enthalten ist, trägt mit seinen charakteristischen Linien zum Spektrum des Gases bei.
Von besonderer Bedeutung für die Infrarottechnik sind die Linie des Kohlendioxyds bei 4.26µm und die breite "Linie" des Wassers zwischen 5 und 8µm. Weiter unten wird darauf eingegangen.

Ein weiterer Effekt spielt für unsere Anwendungen eine Rolle: Die Breite der Linien hängt von der Temperatur des Gases ab: Je heißer es wird, desto breiter wird die Linie. Wie wir gleich sehen werden, ist das der Grund dafür, warum Abgaswolken im MIR überhaupt zu sehen sind!
(Anmerkung: Streng genommen spricht man nur bei atomaren Gasen von einem Linienspektrum und bei molekularen Gasen wie CO2 von einem Bandenspektrum, das sich aus mehreren Linien zusammensetzt. Dies ist eine andere Art der 'Linienverbreiterung' als die durch Temperaturerhöhung!)

Zusammensetzung von Abgaswolken

Abgase setzen sich aus den Hauptbestandteilen CO2, H2O, N2 und O2 zusammen. Ihre Abgastemperatur liegt, wenn keine Kühlmaßnahmen eingesetzt werden, zwischen 300°C und 500°C!

Zusätzlich kann natürlich - je nach Güte des Verbrennungsprozesses - auch Ruß im Abgas enthalten sein. Dabei handelt es sich dann aber wieder um Festkörper (noch dazu solche mit einem sehr hohen Emissionsgrad), die, wie wir im vorangegangenen Kapitel gesehen haben, breitbandig strahlen. Rußbildung muss also auch aus IR-Gesichtspunkten unbedingt vermieden werden! (Hier gibt es noch erhebliches Entwicklungspotential: Im Zusammenhang mit Umweltstudien wurden Vorrichtungen zur Rußreduzierungen entwickelt, die eine Minderung der Rußmasse um 98% erreichen - allerdings nicht für große Maschinen und durch Einbringen anderer Nachteile!)
 

Strahlung von Abgaswolken

Interessant ist an obiger Tabelle, dass CO2 zwar einen sehr geringen Partialdruck im Abgas hat, aber trotzdem den größten Anteil der im MIR und FIR detektierbaren Strahlung beiträgt!
Dies liegt an der Lage der Hauptspektrallinie von CO2 bei 4,26µm und an der oben erwähnten Verbreiterung der Spektrallinien bei Erhöhung der Temperatur.

Betrachten wir das folgende Bild: Es zeigt die spektrale Strahlungsverteilung einer Abgaswolke im MIR, aus einer bestimmten Entfernung durch die Atmosphäre gemessen.

Spektrum einer Abgaswolke im MIR

Wir sehen zwei dominante Maxima: Ein sehr spitzes bei Wellenlängen, die etwas kleiner sind als 4.26µm, und ein etwas breiteres bei Wellenlängen, die etwas größer sind als 4.26µm.
Im sichtbaren Teil des Spektrums entsprechen die kleinen Wellenlängen der Farbe Blau, die größeren der Farbe Rot. Da Amerikaner eine bildhafte Sprache lieben, hat es sich durchgesetzt, diese beiden Maxima als Red Wing und Blue Spike zu bezeichnen.
Die "Lücke" zwischen Blue Spike und Red Wing liegt genau bei der Absorptions- bzw. Emissionslinie von CO2! Das CO2 des Abgases strahlt bei 4,26µm und das CO2 der Luft absorbiert bei 4,26µm. Dass man überhaupt etwas von der Abgasstrahlung sehen kann, liegt an der oben erwähnten Verbreiterung der Spektrallinie durch die höhere Temperatur.
Wohl gemerkt: Selbst dieses "bisschen" Strahlung, das da links und rechts der Atmosphärenabsorption herauslugt, ist so viel, dass es den dominanten Hot Spot im MIR bildet!
Trotzdem ist es natürlich ein Glücksfall, dass die Atmosphäre genau bei der relevanten Wellenlänge absorbiert. Das bedeutet nämlich zum einen, dass Abgaskühlung sehr gut geeignet ist, die IR-Signatur zu verbessern, und zum anderen, dass die Strahlung des Abgases mit zunehmender Entfernung vom Schiff stärker gedämpft wird als Festkörperstrahlung.

Äquivalente Schwarzkörpertemperatur

Versuchen wir nun, das unterschiedliche Verhalten von Gasen und Festkörpern auf einen Nenner zu bringen; schließlich sehen wir im Wärmebildgerät ein Bild der Szene, das beides enthält:

Das Hilfsmittel, das uns einen Vergleich verschiedener Strahlungen ermöglicht, ist die äquivalente Schwarzkörpertemperatur. Sie sagt aus, welche Temperatur ein Schwarzer Körper haben müsste, um die selbe Strahlung abzugeben.
Dieses Verfahren eignet sich nicht nur zum Vergleich von Gasen und Festkörpern sondern auch zum Vergleich von Festkörpern mit unterschiedlichen Emissionsgraden: Wie wir uns erinnern oder nachlesen können, geben Körper unterschiedlicher Emissionsgrade trotz gleicher Temepratur unterschiedlich viel Strahlung ab.
Darüber braucht man sich keine Gedanken mehr zu machen, wenn man einfach annimmt, alles hätte den Emissionsgrad 100%, dafür aber entsprechend niedrigere Temperaturen.

In der Tat liefern Wärmebildgeräte genau diese Größe als Messwert.

Leider birgt diese Messgröße gewisse Gefahren, insbesondere, wenn man sie auf Gase anwendet:
Sie gilt nur für die benutzte Messanordnung, das heisst insbesondere den verwendeten Spektralbereich und die Messentfernung! Ein Wärmebildgerät bildet den Mittelwert der Bestrahlungsstärke über seinen Empfindlichkeitsbereich, der sich natürlich besonders bei selektiven Strahlern sehr schnell abhängig vom Wellenlängenbereich ändern kann!




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